Rundgang 2011

Margezöchemer Äboritschinis und ihre Lädeli und Gschäftli

5. Nachtwächterrundgang durch die Sozialgeschichte

Nachtwächter in Margetshöchheim, Altbürgermeister Günter StockWenn sich an einem dunklen Novemberabend eine große Menschentraube durch die Gassen des Margetshöchheimer Altorts zwängt, folgt sie Altbürgermeister Günter Stock, der historisch gewandet wieder mit Hellebarde und Laterne als Nachtwächter unterwegs ist. Der 5. und inzwischen legendär gewordene „Nachtwächterrundgang“ am 25. November war diesmal dem 100. Geburtstag des Ortsvereins der Margetshöchheimer SPD gewidmet, der am 26. November 1911 gegründet worden war. Dem Anlass entsprechend gab Nachtwächter Günter Stock einen lebendigen Einblick in Arbeitslosigkeit und Armut vergangener Zeiten, aber auch in die vielfältigen Wege der Margetshöchheimer, in ihrem Dorf ihren Lebensunterhalt zu bestreiten.
In genüsslich zelebrierter Margezöchemer Mundart und immer wieder deftig gewürzt mit kleinen Geschichtlis und Anekdoten berichtete Günter Stock Erstaunliches aus dem Dorfleben der letzten 200 Jahre. Namen längst verschwundener Gasthäuser, wie der „Stern“, die „Rose“, der „Engel“, der „Adler“ und verschiedener Heckenwirtschaften, zeugen von Margetshöchheimer Gastlichkeit und erklären, warum die Gäule der Leinacher Bauern auf der Rückfahrt vom Würzburger Säulesmarkt in Margezöche aus Gewohnheit von alleine stehen blieben und warum 1836 Zahl und Ausschankzeiten der Heckenwirtschaften durch eine neue Ordnung beschränkt werden mussten. Dazu muss man wissen, dass der Weinbau einmal Haupterwerb der ansässigen Landwirte war, bevor er später aufgegeben wurde und der Kartoffel- und Obstanbau Einzug hielt.
Dass das Dorf „sallemoals“ durchaus große Alkoholprobleme hatte, ist wohl auch der verbreiteten Armut zuzuschreiben. Im Dorf lebten zahlreiche Tagelöhner und selbst Bauern waren z.T. auf Zusatzeinkommen - später z.B. bei der Bahn oder Koebau – angewiesen. Nicht umsonst hatte die Gemeinde zwei Armenhäuser und wegen des überdurchschnittlichen Krankenstands eine ambulante Krankenpflegestation . Auch die Eltern des späteren SPD-Bürgermeisters Ludwig Volk haben im Armenhaus der Gemeinde leben müssen. So wurden Not und z.T. auch Unterdrückung zum Antrieb für die Gründung des SPD-Ortsvereins.
Erstaunlich groß war die Zahl und Vielfalt des einstmals im Dorf ansässigen Kleingewerbes. Auf der kleinen Fläche rings um das Rathaus zwischen Hauptstraße und Main machte Günter Stock etliche schon längst aufgegebene Bäckereien, Metzgereien und verschiedene „Lädeli“ für Käse, Tabak, Butter, Limonade usw. namhaft. Das Dorf hatte neben der Dorfschmiede und einer Schreinerei einmal einen eigenen Fahrradhändler, ein Fischgeschäft, natürlich einen Flaschenbierhandel, einen Handel für Kohle und Briketts, eine Tankstelle, ein Uhren- und Schmuckgeschäft; sogar ein Schuhgeschäftle hat es hier gegeben. Und allen gibt Günter Stock ein Gesicht, indem er mindestens die Namen der Inhaber nennt oder gar ein Geschichtli zum Besten gibt.
Wie wichtig und beschwerlich für Margezöche die Verbindung nach Würzburg war, wird deutlich, als Günter Stock den durch die komfortable Ortsumgehung verwöhnten Neubürgern vom Marktschelch erzählt, auf dem die hiesigen Obst- und Gemüseerzeuger ihre Waren, vor allem die Frühkartoffeln, auf den Würzburger Markt schafften. Auf dem sogenannten Leinpfad haben Gäule den Schelch mit starken Seilen mainaufwärts gegen die Strömung nach Würzburg ziehen müssen. Seit Ende des 19. Jahrhunderts haben dann Kettenschlepper, die sich an einer über 300 km langen Kette den Main „hochgehangelt“ haben, einen Teil dieser Arbeit übernommen. Diese Schiffe waren wegen der lauten Warnhornsignale, die vor jeder Mainbiegung zu hören waren, als „Meekuh“ bekannt.
Übrigens: Der Nachtwächter möchte sich nicht mit fremden Federn schmücken. Die interessanten Gschichtli stammen alle von unserer „lebenden Ortschronik“ Werner Lennemann. Er hat uns auch verraten, dass es auch für den nächsten Rundgang wieder viel Interessantes und Amüsantes zu erzählen gibt.
Der Chor des Sängervereins bereicherte die ebenso amüsante wie informative Führung mit einigen heimatlichen Liedern. Zum Ausklang lud der SPD-Ortsverein zu Glühwein und Weihnachtsgebäck in den stimmungsvoll illuminierten Preuschenhof ein.

 

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